"Das Doppelkreuz"
Harsum Deine Heimat (1954)
Ein großes Doppelkreuz mit zwei gleichlangen Querbalken – einzigartig in seiner Art – ziert den südlichen Waldrand des idyllischen Harsumer Holzes, unweit des Stichkanals. An dieser besonderen Stelle, zwischen der heutigen Waldschenke und der ehemaligen Badestelle, wurde vor über hundert Jahren erstmals ein solches Holzkreuz errichtet.
Zuvor stand hier ein einfaches Waldkreuz mit nur einem Querbalken, an dem – so erzählt man sich – einst ein Korpus in Lebensgröße befestigt gewesen sein soll.
Warum jedoch gerade an diesem Ort ein so ungewöhnliches Doppelkreuz seinen Platz fand, darüber berichtet eine aufschlussreiche und faszinierende Heimatsage…
Der aus adeligem Geschlechte stammende Jäger Robert, der auf seinen Beutezügen den Bauern der Umgebung oft schwer zusetzte, hatte seiner Jugendgeliebten Clementine im Leinetale den Abschiedsbrief geschrieben und sich in Harsum der Tochter eines Pächters zugewandt - Elfriede.
Vergeblich versuchte Elfriede, den übermütigen und gottlosen Lebenswandel ihres Geliebten zu ändern. In einer stürmischen Nacht kniete sie betend und flehend am alten Waldkreuz, während Robert im Dorfkrug seine Zechgenossen mit einem frechen, frevelhaften Plan unterhielt: Er wolle auf den Gekreuzigten im nahen Wald zielen und schießen.
Seine Freunde warnten ihn: Der Dorfbach, durch den die Wassermassen nach dem Unwetter tobten, würde ihn ohnehin aufhalten. Doch Robert lachte nur höhnisch und rief: „Unsinn! Unsinn!“ – ein Ausruf, der dem Wasserlauf, an dem Harsum liegt, später seinen Namen gegeben haben soll.
Mit hastigen Sprüngen setzte er über den reißenden Bach und erreichte das Waldkreuz. Dort krachte der Schuss – ein Akt der Gotteslästerung. In diesem Moment stürzte Elfriede, die zu Füßen des Kreuzes gebetet hatte, mit einem lauten Schrei zu Boden. Sie starb durch die Hand ihres erschrockenen Geliebten, der in diesem Augenblick die Tragweite seines Tuns erkannte.
Die Sage erzählt weiter, dass Robert, vom Schrecken gelähmt, mit dem Gewehr in der Hand zu einem hölzernen Wegweiser erstarrte – als ewige Mahnung und Buße für seine Tat.
Das ursprüngliche Waldkreuz, das etwa 30 Meter tiefer im sumpfigen Wald stand, verfiel mit der Zeit. An der Stelle, wo einst der Wegweiser stand, wurde vor vielen Jahrzehnten das heute noch sichtbare Doppelkreuz errichtet – ein Kreuz mit zwei gleichlangen Querbalken, das regelmäßig erneuert wird und bis heute eine Station der Flurprozession bildet.
Auch wenn manche die Errichtung des Doppelkreuzes mit der Teilnahme Harsumer Männer am Russlandfeldzug Napoleons in Verbindung bringen, hält die Sage fest:
Der zweite Querbalken erinnert an den Opfertod Elfriedes –
und an die Entstehung des Namens „Unsinnbach“.
W. Mpt.