Das „Spinnekreuz“ – ein Denkmal mit Geschichte
Dieses alte Wegekreuz, im Volksmund „Spinnekreuz“ genannt, steht seit 1813 nahe dem ehemaligen Kuhhirten-Tor. Seinen Namen verdankt es einer alten Sage, die auf der Rückseite dieser Tafel nachzulesen ist – sie erzählt von einem noch älteren Denkmal, das einst an dieser Stelle gestanden haben soll.
Das Jahr der Errichtung – 1813 – war ein Wendepunkt in der europäischen Geschichte: In der Völkerschlacht bei Leipzig wurde Napoleons „Grande Armée“ vernichtend geschlagen, und die Herrschaft seines Bruders Jérôme Bonaparte über unsere Region endete. Es liegt nahe, dass das Stifterehepaar Homeister durch persönliche Erlebnisse mit diesen Ereignissen verbunden war – oder das Kreuz aus Dankbarkeit für diese Zeitenwende errichten ließ.
Die Sage vom Spinnekreuz
Vor vielen Jahren, als in unserem Dorf noch überall Flachs angebaut, geerntet und verarbeitet wurde, lebte eine arme Witwe in einem kleinen, strohgedeckten Häuschen nahe dem Unsinnbach. Sie hatte früh ihren Mann verloren, doch war für ihre Freundlichkeit und ihren Fleiß im ganzen Dorf bekannt und geschätzt. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich mit harter Handarbeit: Sie rupfte, hechelte und schwang den Flachs – und vor allem spann sie die Fasern zu feinem Garn.
Auch im Alter, als ihre Kräfte nachließen, saß sie Tag für Tag am Spinnrad oder beim „Spinnwocken“ und arbeitete unermüdlich. Ein Krieg hatte ihr den einzigen Sohn genommen – ihre letzte Hoffnung und Stütze im Leben. In ihrer Verzweiflung fasste sie einen Entschluss: Sie gelobte, so lange zu spinnen, bis sie genug Geld zusammengespart hätte, um ein Votivkreuz am Dorfrand errichten zu lassen – als Zeichen der Hoffnung auf die Rückkehr ihres Sohnes.
Getragen von diesem Wunsch arbeitete sie weiter, Sommer wie Winter, oft bis zur völligen Erschöpfung. Schließlich hatte sie genug Geld beisammen. Das Kreuz wurde errichtet – ganz in der Nähe ihres Hauses, sodass sie es aus ihrer kleinen Spinnstube immer sehen konnte. Es wurde ihr Hoffnungszeichen, ihr täglicher Blick zum Himmel, begleitet von unzähligen Gebeten für ihren Sohn.
Heute steht an derselben Stelle wieder ein Bildstock. Die Flachsverarbeitung ist längst vergessen, das Spinnen nur noch Erinnerung. Doch die Geschichte der alten Frau, ihr Glaube und ihre stille Stärke leben weiter – in der Sage vom Spinnekreuz. Ob ihr Sohn je zurückgekehrt ist? Das bleibt bis heute ein Geheimnis.